Damodar (Indien) und Donau (Österreich): Zwei Flüsse – eine Solidargemeinschaft

Bhelwara-webDie Bedrohung des indischen Flusstales Karanpura Valley im Bundesstaat Jharkhand durch Kohletagebau, geplant von der indischen Zentralregierung, gab den Anlass zur Gründung des 2Flüsse Freundschaft Projekts im Frühjahr 2012. Gemeinsam mit „2Rivers Friendship Project“ sind Personen und Organisationen weltweit aktiv, um den Widerstand gegen die Zerstörung des fruchtbaren Flusstales zu unterstützen. 200 indigene Dörfer entlang der Damodar, so der Name des Flusses im Karanpura-Tal, sind von Zerstörung bedroht, wenn die Kohleförderung von der indischen Regierung weiter forciert wird.

Seit ihrer ersten Reise nach Indien als Delegierte der internationalen Menschenrechtsorganisation FIAN für das Recht auf Nahrung war Indien das Schwerpunktland des Engagements von Elisabeth Költringer, die auch Gründerin von FIAN Österreich (1989) und dessen erste Vorsitzende bis 1999 war. 1955 in Salzburg geboren, lebt sie seit 1983 mit ihrer Familie im Oberen Mühlviertel, wo das unmittelbar Gelebte und Erlebte am Land direkt zu den Aktivitäten zum „Recht auf Nahrung“ und zum Einsatz für ländliche Lebensräume weltweit geführt hat. Mehr als lokale und globale Bedrohungsszenarien waren es die prägenden Eindrücke des Gültigen, des Kostbaren und Lebensspendenden, das in diesen Lebensräumen, bei uns und überall auf der Welt, noch immer vorhanden ist und das es zu schützen und zu bewahren gilt. Das von ihr gegründete „2Rivers Friendship Project“ möchte besonders jene Menschen unterstützen, die unmittelbar vom Verlust dieser Lebensbedingungen betroffen sind.

Konzert-Villalon-web2fluesseKunst-webNach dem Konzert von Jorge Villalon am 20. Juni 2015 in Obermühl an der Donau (siehe Fotos) ging eine Botschaft als zentrales Anliegen des 2-Flüsse-Freundschaft-Projekts nach Indien. Politisches Agieren in Indien und für Indien ist unter der Regierung Modi schwieriger geworden. Das zeigte auch die jüngste Eilaktion von Amnesty International zur Haft des Journalisten Santosh Yadav. Elisabeth Költringer ist trotzdem überzeugt: „Aktionen im Kontext von Kunst und Kultur sind dabei noch immer starke Mittel, deren wir uns bewußt bedienen möchten.“

Im März 2011 besuchte eine Delegation aus dem Karanpura-Tal von Jharkhand in Zentralindien Österreich. Zwei Frauen vom Volk der Oraon, Philomina Tirkey und Elizabeth Bara, begleitet vom indischen Menschenrechts- und Umweltaktivisten Bulu Imam legten auf der Donau zusammen mit den österreichischen BesucherInnen der Veranstaltung den Grundstein für die „2Rivers Alliance“. Menschen an der Donau wollen sich im Rahmen dieser Allianz längerfristig für die Erhaltung des Lebensraumes der Menschen im Karanpura Tal einsetzen. Die Damodar heißt in der Sprache der ursprünglichen Bevölkerung „Damuda“, was „heiliges Wasser“ bedeutet. Nun ist der Lebensraum von knapp einer Million Menschen am „heiligen Wasser“ bedroht. Die indische Regierung plant am Oberlauf des Flusses, im nördlichen Karanpura-Tal, Kohle abzubauen. 31 offene Kohletagbaugruben sind das Vorhaben von Central Coal Limited (CCL), der staatlichen Kohleindustrie. Indiens industrieller Boom verlangt nach Energie zur Herstellung von Autos, zur Stahlgewinnung, für Aluminiumraffinerien. Die Kohle ist für die Befeuerung von CO2 intensiven Thermalkraftwerken vorgesehen, die an Ort und Stelle, dem Flusstal entlang, aus dem Boden wachsen und die Energie liefern sollen. Im Zuge dieses Projekts ist das ganze Tal am Oberlauf der Damodar von totaler Zerstörung bedroht und seine BewohnerInnen von Vertreibung. Bereits durchgeführte Umsiedlungen haben zudem gezeigt, dass eine Wiederansiedlung entweder gar nicht oder äußerst mangelhaft erfolgt und oftmals ohne informierte Zustimmung der Betroffenen.

coal-mine-webDer Verein „2Rivers Friendship Project“ soll mit seinen strukturellen Grundlagen der „2Rivers Alliance“ helfen, Aktivitäten zu organisieren, öffentlich tätig zu sein für eine internationale Zusammenarbeit zum Schutz der Menschenrechte und zur Bewahrung des Lebensraumes im Karanpura-Tal.

Infos: 2Rivers Friendship Project – Ohnerstorf 11, A-4152 Sarleinsbach, AUSTRIA Tel.: 0043 (0)7283 8605, Email: elisabeth.koeltringer@sundial.at, Spendenkonto: 2Rivers Friendship Project, Sparkasse Mühlviertel West, IBAN: AT88 2033 4000 0122 1217, BIC: SMWRAT21XXX

 

Zwei Flüsse – ein Leben

Eine Begegnung von Adivasis und OberösterreicherInnen im Mühlviertel (Artikel von Magdalena Jetschgo, erschienen in Südwind-Magazin 5/2011 – www.suedwind-magazin.at)

„Es gibt viele Flüsse, aber nur ein Wasser, es gibt viele Menschen, aber nur ein Leben.“ Unter diesem Motto fand am Sonntag, den 27. März 2011, in der kleinen Mühlviertler Gemeinde Obermühl eine Begegnung von Menschen des oberösterreichischen Donautales mit einer Delegation des zentralindischen Karanpura-Tales statt. Ziel der Veranstaltung war es, auf den bereits über 25 Jahre andauernden Widerstandskampf der indigenen Bevölkerung des indischen Bundesstaates Jharkhand aufmerksam zu machen, deren Lebensraum durch die Errichtung weiterer Kohleminen massiv bedroht ist.

Elisabeth-Adivasi-webDie fast spiegelglatte Oberfläche der Donau scheint wie ein silbernes Band im grünen Flusstal, das in den ersten zarten Frühlingssonnenstrahlen sanft glitzert. Langsam und gemächlich tuckert das kleine Schiff „Lilofee“ durch die diesige Morgenstimmung stromaufwärts, dem Höhepunkt der Veranstaltung entgegen. Mit an Bord ein bunter Haufen an FlusstalbewohnerInnen, unter ihnen die Künstlerinnen Philomina Tirkey und Elizabeth Bara aus dem indischen Bundesstaat Jharkhand sowie Bulu Imam, der dort den Widerstand gegen den zerstörerischen Kohleabbau koordiniert (siehe nachfolgendes Interview).

Begleitet von Mühlviertler Donauliedern und indischen Flussgesängen macht das Schiff an der Schlögener Schlinge kehrt. Die mitgebrachte Wassergabe aus dem Damodar, dem Fluss des Karanpura-Tales, wird unter Jubelrufen in die Donau gekippt und das Donauwasser in die mitgebrachte Plastikflasche gefüllt, um es am Ende einer langen Reise in den Damodar zu gießen. Mit dieser symbolischen Handlung wurde der Grundstein für eine längerfristige Allianz der Solidarität zwischen den Donautal-BewohnerInnen und den Menschen des Karanpura-Tales in Indien gelegt. Gemäß den animistischen Religionen der im Karanpura-Tal ansässigen indigenen Bevölkerung ist ein Fluss nicht nur ein Symbol für eine Gottheit, sondern die Gottheit selbst, was die tiefer gehende Bedeutung dieses Wassertausches erahnen lässt.

Indische Saris treffen auf Mühlviertler Tracht, Donaulieder auf indische Fluss-Gesänge: Zurück am Festland geht es im am Donauufer aufgebauten Festzelt weiter. Die beiden Frauen, die der Tribal Women Artists Cooperative angehören, gewähren den Anwesenden einen Einblick in ihre Jahrtausende alte Kunst der Wandmalerei. Mit sicherer Hand fertigen sie Kunstwerke an, die ein wenig an die Malerei der Aborigines in Australien erinnern. Die mit Donaulehm präparierten Leinwände sind den Lehmwänden ihrer traditionellen Häuser, die seit jeher mit kunstvollen Malereien bemalt werden, nachempfunden. Den Wänden jener Häuser, aus denen die Menschen des Karanpura-Tales vertrieben werden, weil ihre Dörfer dem Kohletagbau weichen müssen. 31 neue Abbaustätten sind von der indischen Regierung geplant, 200 Dörfer gilt es dafür aus dem Weg zu räumen, eine Million Menschen sollen umgesiedelt werden. Dahinter steckt die Absicht der indischen Regierung, das Land zu „entwickeln“.

Während die zwei Frauen malen, schildert Bulu Imam in eindrucksvollen Worten und Bildern, was dieser Raubbau für die ansässige indigene Bevölkerung bedeutet: den Menschen wird ihre Lebensgrundlage entzogen, sie haben keinen Platz mehr zum Leben, Vieh hüten, Nahrung anbauen. Deshalb unterstützt die internationale Menschenrechtsorganisation FIAN den Widerstand gegen die Zerstörung des Karanpura-Tales. Mit den DonautalbewohnerInnen scheint dieser Kampf gegen Goliath nun weitere UnterstützerInnen gefunden zu haben: mit den anwesenden VertreterInnen verschiedenster NGOs sowie gesellschaftlicher Gruppierungen wurden eifrig Kontakte geknüpft, am Ende stand ein Appell der Menschen aus Oberösterreich an die indische Regierung, in dem sie diese auffordern, die Eröffnung neuer Abbaustätten zu unterlassen sowie die Menschenrechte der indigenen Bevölkerung des Karanpura-Tales zu respektieren. Von FlussbewohnerIn zu FlussbewohnerIn.

Magdalena Jetschgo studiert in Wien Politikwissenschaft und Internationale Entwicklung und gewann 2010 den JungjournalistInnen-Preis der Tageszeitung „Die Presse“ („Reporter 10“). Gemälde der Karanpura-Kampagne (im Format 76 x 57 cm oder 57 x 38cm) können gegen eine Spende bezogen werden über elisabeth.koeltringer@sundial.at , Tel. 07283/8605

 

„Die Lebensgrundlage entzogen“

childrenmining-webBulu Imam ist seit fast 25 Jahren Koordinator der Karanpura-Kampagne. Mit dem nach Eigendefinition autodiktatischen lebenslangen Künstler sprach anlässlich seines Österreichbesuches Magdalena Jetschgo. Die traditionellen Malereien aus der Region Jharkhand werden von den Künstlerinnen der Karanpura-Kampagne seit 15 Jahren in die ganze Welt hinaus getragen.

Südwind-Magazin: Was sind die Hauptanliegen Ihres Widerstandskampfes im Karanpura-Tal?

Bulu Imam: Unser wichtigstes Ziel ist der Schutz des Landes der Adivasis, der Urbevölkerung, die dieses Gebiet seit Tausenden von Jahren bewohnt. Wenn wir es zulassen, dass der Kohletagbau in dieser Region weiter voranschreitet, wird dieses Land für immer zerstört und die Menschen, die es bewohnen, haben kein Zuhause mehr. Daher ist es unser Hauptanliegen, die Eröffnung neuer Abbaustätten zu verhindern. Der zweite Kampf, den wir führen, ist jener für den Erhalt der Kultur der ansässigen Bevölkerung, was ihre Religion und ihr eigenes Gesellschaftssystem mit einschließt. Es geht um ihre sozialen und kulturellen Rechte, das heißt um ihren Glauben, ihre Bräuche, ihre kulturellen Traditionen, wie das Bemalen ihrer Häuser, die Subsistenzlandwirtschaft, die auf Tauschkreisläufen beruht. Die Regierung verspricht, uns Inderinnen und Inder zu entwickeln, doch in der Art und Weise, wie sie es für gut befindet. Das heißt, der indische Staat versichert mir mein Recht auf einen Platz zum Leben, auf Ernährung, Bildung, finanzielle Sicherheit usw. Worüber aber nicht gesprochen wird, ist, was er im Gegenzug dafür bekommen will. Er nimmt uns unser Land, unsere Wälder, unsere Kultur.

Das klingt nach total unterschiedlichen Auffassungen von „Entwicklung“.

Bhelwara-Sohrai-webDie indigene Bevölkerung hat ihre eigene Definition von Entwicklung. Diese deckt sich natürlich nicht mit dem, was sich die indische Regierung darunter vorstellt. Allerdings erfüllt die Regierung nicht einmal ihre eigenen Versprechen, die sie unter dem Titel der „Entwicklung“ den Menschen macht. Der indische Staat verspricht den Menschen, die aufgrund des Kohleabbaus aus ihren Dörfern vertrieben werden, neue Häuser. Die Menschen wollen allerdings lieber in ihren Lehmhäusern bleiben. Das passt aber nicht in das geplante Entwicklungskonzept des Staates, der Häuser aus Beton für diese Menschen vorsieht. Obendrein bekommen dann nicht einmal fünf Prozent der umgesiedelten Menschen diese Häuser. Den Menschen wurde jede Lebensgrundlage entzogen, indem man ihnen ihr Land wegnahm, und alles, was ihnen übrig bleibt, ist, in eine einige hundert Kilometer entfernte Großstadt zu ziehen und als Hausangestellte bzw. in einem Slum ihr Dasein zu fristen.

Woher nimmt die indische Regierung das Geld für derartige Großprojekte?

Der Großteil kommt von Krediten der Weltbank. Und anstatt die Häuser für die Vertriebenen zu bauen, stecken sie das Geld in die eigene Tasche. Ein sehr cleveres Konzept. Die Kredite werden nicht zurückgezahlt – die Minen sind die Hypothek dafür. Das ist Neoliberalismus. Dann tritt die nächste Regierung ihr Amt an. Diese fordert einen neuen Kredit, um das Land zu „entwickeln“. Um neue Straßen zu bauen und die alten zu zerstören, um die Wälder abzuholzen und so vieles mehr zu zerstören – das ist in ihrem Verständnis Entwicklung.

Was wird denn noch alles zerstört?

Die Moral. Die Korruption hat in Indien ein unfassbares Niveau erreicht, es sprengt alle Grenzen. Sogar der Premierminister wurde nun mit Korruptionsvorwürfen belastet. Ein Mann, der als nicht korrumpierbar galt. Aber wie kann jemand gegen so etwas immun sein, wenn das ganze System, dem er vorsteht, so korrupt ist?

Mehr Infos zur Kampagne auf www.karanpuracampaign.com

Bildlegende: 1. Viele Häuser der Adivasi im Karanpuratal sind mit Malereien geschmückt. 2./3. Konzert für das Zwei-Flüsse-Projekt im Juni 2015: Der chilenische Liedermacher und Gitarrist Jorge Villalon (Foto links) sang und spielt im mehr als vollen Pfarrsaal in Obermühl a.d. Donau sein Programm für die Flüsse und informierte dazwischen über die Situation im indischen Bundesstaat Jharkhand im Tal des Patenschaftsflusses Damodar. Eine Dokumentation mit 12 großen Fotos über das Leben in den Dörfern im Karanpuratal und über die Bedrohung durch Kohletagebau wurde im Pfarrsaal ausgestellt. Die Bilder der Dörfer spiegelten sich – vom Publikum aus gesehen – in beeindruckender Weise im Wasser der Donau. Somit sah man Szenen an der Damodar sozusagen in der Donau „schwimmen“- eine mehr als symbolische Verbindung der beiden Flüsse wurde damit sicht- und erlebbar. Für den kürzlich verstorbenen Journalisten und entwicklungspolitischen Aktivisten Werner Hörtner (siehe Gedenkfonds auf dieser Website), der das erste Mitglied des 2-Flüsse-Vereins, sang Jorge Villalon „Pedro Canonero“, das Lied über den Fischer, der auf seinem Kanu geblieben war bis zum Ende seines Lebens, Bild der Treue und Hingabe an eine Berufung. Foto rechts: Im Pfarrgarten fügte sich dieses Adivasi-Kunstwerk gut in die Donaulandschaft ein. 4. Kohleofen im Karanpura-Tal, 5. Elisabeth Költringer (links) mit den Adivasi-Frauen Philomina Tirkey und Elizabeth Bara auf Donaufahrt, 6. Trister Minen-“Spielplatz”, 7. Adivasi-Frau mit einfacher Steinmühle. Alle Fotos Copyright: 2Rivers-Project

 

 

 


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