Chiapas (Mexiko): Mit Lehm für eine Zukunft bauen

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„Ich trage meine Armut hier auf Erden mit mir herum“ sagte Juana, eine Tzeltalfrau, die in der Peripherie, den Armutsvierteln der Kolonialstadt San Cristóbal in der mexikanischen Provinz Chiapas lebt und sich mit dem Wiederverkauf von Erdnüssen über Wasser hält, im Jahr 1995. Und fügte lachend hinzu: „Ich habe weder einen Sessel noch einen Mann.“ An dieser Situation hat sich leider bis heute wenig verändert. Viele der StadtbewohnerInnen, zum größten Teil indigene Maya, leben unter katastrophalen Umständen. Das Bauprojekt CASADOBE (casa: Haus / adobe: Lehmziegel) möchte armen Familien neue Hoffnung geben und ihnen zu einer menschenwürdigen Behausung verhelfen.

Der Vorarlberger Architekt Markus Koch, Initiator von CASADOBE, lernte bei mehreren Aufenthalten in San Cristóbal de Las Casas die Bedürfnisse der Maya-Familien im Armenviertel „Primero de Enero“ (Neujahr) am Nordrand der Stadt kennen. Dabei entstand die Idee, für diese bedürftigen Familien einfache Häuser zu errichten, die ihre Lebensqualität entscheidend verbessern. Dem Initiator war es dabei ein besonderes Anliegen, in diesem Projekt Menschen aus der ausgegrenzten und meist ungebildeten lokalen Bevölkerung – vornehmlich Jugendliche – in das Projekt zu integrieren und ihnen Bildungschancen eröffnen. Die notwendigen finanziellen Mittel für den Bau von Wohnhäusern, vornehmlich aus Lehm und Holz, wurden aus Österreich beschafft. Die lokale Organisation Sueniños A.C. (Kinderträume) mit ihrer großen Erfahrung und Programmen für Kinder und Jugendliche und deren Familien begleitete das Projekt.

Start mit Neujahrssiedlung

1994 wurde die „Neujahrssiedlung“ im Zuge einer spontanen Landbesetzung gegründet. Nach einigen konfliktreichen Jahren erhielten die meisten BewohnerInnen 2004 amtliche Grundbesitzurkunden. Beim Projektstart 2010 lebten unter den 380 Familien kaum noch ursprüngliche Siedlungsgründer, sie hatten mittlerweile den Großteil des Landes an Neuankömmlinge verkauft. Die meisten Heime der Familien haben ein bis zwei Zimmer und bestehen aus lose zusammengenagelten Holzbrettern oder Kartons mit löchrigem Wellblechdach und ohne Boden, ohne sanitäre Einrichtungen. Gerade in der Winterzeit, wo es auch frieren kann und in der Regenzeit (von Mai bis Oktober) sind die Lebensbedingungen in diesen Unterkünften hart, ungesund also menschenunwürdig.

Für das Pilotprojekt hatten 13 Familien haben einen Antrag eingereicht. In mehreren Treffen mit den interessierten Familien wurde das Bauprojekt genau durchgesprochen: der Entwurf, die Funktionen des Hauses, die verwendeten Materialien, die Bauabwicklung sowie die Finanzierung. Schließlich wurden für das Pilotprojekt zwei Familien ausgewählt, welche die Anforderungen (u. a. der Besitz eines Grundstücks ohne ein darauf befindliches Wohnhaus aus Ziegeln) erfüllten. Auf den zwei Baugründen wurde dann jeweils ein einstöckiges Wohnhaus errichtet. Diese Häuser sind Lehm-Holz-Konstruktionen, in denen sich ein Holzofen zur Beheizung des Hauses und zum Kochen befindet. Weiters wurde eine Warmwasseraufbereitungsanlage, gespeist von Sonnenenergie, aufgebaut. Mittlerweile kamen seit 2010 fünf Einfamilienhäuser, drei Schulen mit 2 – 4 Klassenräumen, kleine Zubauten und der Aufbau der Werkstätte hinzu.

Die ökonomische Situation praktisch aller Familien ist sehr prekär. Die Männer arbeiten (meist unterbezahlt) vor allem als Maurer, Straßenverkäufer oder Chauffeur. Die Frauen hingegen leben vor allem vom Kunsthandwerk, arbeiten in privaten Haushalten oder als Straßenreinigerinnen in der Stadt. Nur wenige Familien können sich Arztbesuche leisten, dabei leiden viele häufig an Atemwegserkrankungen. Die Grundnahrung besteht aus Bohnen, Mais, Eiern, Käse, Reis und Nudelsuppe. Fleisch gibt es nur sehr selten. Zu den schwerwiegendsten Problemen in den Siedlungen zählen Alkoholismus, Drogensucht, Gewalt und Missbrauch in der Familie.

Für sieben von insgesamt 380 Familien Häuser zu bauen, könnte nur als „Tropfen auf dem heißen Stein“ gesehen werden, aber die Casadobe-Bauten sind vor allem als Vorbild bzw. Modelle für Siedlungen zu verstehen. Die BewohnerInnen von „Primero de Enero“ sollten nämlich in Zukunft die Bauten weitgehend selber errichten. Es gibt aber auch bewährte Arbeiter, die nicht dort wohnen. Die Familie des Vorarbeiters Francisco Cruz Diaz lebt im Dorf Cruz Cantulá in Chiapas auf fast 3.000 Meter Seehöhe (siehe Foto). Francisco und sein gleichnamiger Sohn sind die Zugpferde des achtköpfigen Bauteams der ersten Stunde von Casadobe. Die Lehmbautechnik haben sie verinnerlicht und kultivieren so das alte Wissen der Maya. In der Bauzeit fahren sie um sechs Uhr morgens, wenn es noch dunkel ist, eine Stunde zur Arbeit. Der Weg ist steil, holprig und unbefestigt. Nach Hause müssen sie ihre Fahrräder eineinhalb Stunden den steilen Weg nach Hause schieben.

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„Der Tod im Leben“ in Chiapas

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Im 75.634 km2 großen Bundesstaat Chiapas im Südosten Mexikos an der Grenze zu Guatemala leben rund fünf Millionen Menschen, wovon ca. 65 Prozent Indigene (großteils Maya) sind. Scharfe Gegensätze prägen den Alltag: Enormer Reichtum an Bodenschätzen, Wasser- und Ölvorkommen kontrastiert mit absoluter Armut durch ungleiche Landverteilung und Diskriminierung. Diese sozioökonomischen Unterschiede bilden den Nährboden für Landkonflikte, Vertreibungen und die Unterdrückung bäuerlicher Bewegungen. Auch in der Bildung zeigen sich in Chiapas große Missstände: in der Bevölkerung über 15 Jahre haben über 16 Prozent  die Schule nicht besucht, über 40 Prozent haben keinen Pflichtschulabschluss. Gerade 14 Prozent haben die „Preparatoria“ beendet (Maturaabschluss).

Chiapas ist ein trauriges Beispiel bezüglich mangelnder medizinischer Versorgung und hoher Kindersterblichkeit. Durchfallserkrankungen, Cholera und Tuberkulose treten in dieser Region öfter auf als in anderen Teilen Mexikos. Mehr als 65 Prozent der Bevölkerung leiden an Unterernährung. „Der Tod im Leben“ – mit diesen Worten umschrieb Subcommandante Marcos (der Sprecher der zapatistischen Befreiungsbewegung) die Allgegenwärtigkeit der absoluten Armut in Chiapas.

Fotos: Markus Koch, PS: Der Beitrag wird demnächst noch erweitert

Spendenkonto, Kennwort: Casadobe, Verein Kinderhilfswerk Sueninos, Collmannstrasse 2, 4600 Wels, Austria, Bank: Allgemeine Sparkasse – BLZ 20320, Konto Nr: 10000-055666, IBAN: AT462032010000055666, BIC: ASPKAT2L, Österreichisches Spendengütesiegel und Spendenbegünstigung, Web: www.sueninos.org

 

 


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