NAI: Musik als heilende Kraft für syrische Flüchtlinge

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Mehr als neun Millionen Syrerinnen und Syrer sind auf der Flucht, laut UNICEF sind mehr als die Hälfte von ihnen Kinder. Die meisten leben nun im benachbarten Libanon schwer traumatisiert in Lagern. Dana Mufti, deren Eltern Syrer sind, hat in Linz mit NAI eine Initiative gegründet, dessen Vision es ist, syrischen Kindern zu helfen, ihre Kriegstraumata durch das Medium der Musik zu überwinden. Musik setzt den psychischen Folgen von Armut und Gewalt etwas Positives entgegen und verhindert, dass die Gewaltopfer von heute zu den Tätern von morgen werden. „Nai“ ist übrigens die arabische Bezeichnung für Flöte. Sie ist ein Symbol für das Bewusstsein, dass Musik ein großartiges Potential zur Völkerverständigung und individuellen Entwicklung birgt. NAI möchte traumatisierten Kindern ermöglichen, dieses zur Entfaltung zu bringen: „In dem wir uns mit der Lebenswelt dieser Kinder auseinandersetzen und uns berühren lassen, wird auch unser Leben reicher und bunter.“

Projekte in libanesischen Flüchtlingslagern und in Oberösterreich

* Die Musiktherapie Primamateria (www.primamateria.it) wird von Deborah Parker geleitet. Das Ziel ist, den Kindern zu ermöglichen, ihre traumatischen Erfahrungen mit entsprechenden musik-therapeutischen Angeboten zu verarbeiten. In den Lagern in der Bekaa-Ebene werden musikalische Fähigkeiten wie das Hören, Bewegen, Tanzen, die Stimme, Kreativität und Instrumentaltechniken trainiert.

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* Konzertauftritt mit syrischen Flüchtlingskindern mit dem renommierten libanesischen Dirigenten Barkev Taslakian und dem Fayha Chor (www.fayhachoir.org), geplant im Sommer 2015

* Im Musikunterricht setzt sich das Repertoire vorwiegend aus syrischen Liedern, Kinderliedern, sowie Stücke über den Frieden, unter anderem auch in englischer und französischer Sprache zusammen.

* Zum Zweck der Spendengewinnung organisiert NAI Konzerte mit lokalen und international anerkannten KünstlerInnen bzw. mit Kindern aus oberösterreichischen Musikschulen. Das bisherige Programm: Kick-off-Benefiz-Konzert im Linzer Landestheater mit renommierten KünstlerInnen, Jam mit Linzer Musikern, Konzert Musikschule Grein und Linz, Konzert mit RUH – Musikensemble mit Musikern syrischer Herkunft

Wir geben Euch Hoffnung!

„Den Kindern sagen wir: Du bist wertvoll, Du bist etwas besonders, du hast eine Zukunft in dieser Welt, du kannst sie mit gestalten, wir glauben an dich und an deine besonderen Fähigkeiten. Daher möchten wir ihre Kreativität fördern. Wir ersuchen sie z.B. ein Bild zu malen, wie sie selbst als Erwachsene sein möchten, oder uns einen Gegenstand zu bringen, mit dem man Rhythmus machen kann: Sie bringen uns Steine, die man aneinander schlagen kann, sie bringen uns Plastikflaschen, mit denen man trommeln kann, sie bringen Papier, mit dem man rascheln kann. Wir machen Fantasiereisen ans Meer, um sie vom tristen Alltag im Lager abzulenken und ihre Vorstellungskraft zu stärken. Und wir versuchen ihre Sensitivität für ihre Mitmenschen und ihre Umgebung zu fördern.

Wir richten alles auf das Verständnis aus, dass die Kinder einen Beitrag für eine lebenswerte, friedliche Zukunft in ihren Händen tragen. Das allerwichtigste dabei ist die Botschaft: Wir lassen dich nicht im Stich, wir geben euch Hoffnung! Denn hier ist ein riesiges Potential von jungen Leuten, die saugen alles auf, sie sind wissbegierig, sie möchten lernen, sie sind unglaublich abhängig von uns Erwachsenen in dieser Situation. Ohne Perspektiven können sie leicht missbraucht werden, in dem ihnen z.B. gewaltbereite Gruppen eine bessere Zukunft versprechen. Wir möchten diesen Kindern helfen, daran zu glauben, dass friedliche Aktivitäten wie Lernen, ihnen auf Dauer ein besseres Leben ermöglichen. Dazu benötigen sie ihre ganze Kreativität, ihr ganzes Potential, ihr ganzes Selbstbewusstsein. Wir versuchen ihnen, dringend notwendige Förderung zu geben und ihnen positive Erfahrungen mit der Welt da draußen zu vermitteln, um all dies aufzubauen.“

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Bei meinen Besuchen in den Flüchtlingslagern hörte ich immer wieder den folgenden Satz: Freitag ist mein Lieblingstag, denn darf ich wieder mitsingen! Das ist für mich wie ein schöner Ausflug! Und eine Lehrerin erzählte mir die Bitte einer Schülerin: Bitte beten Sie, dass es morgen regnen wird, denn dann muss meine Mutter nicht am Feld arbeiten. Nur so kann ich zum Singen kommen. Wenn sie arbeiten geht, muss ich zu hause bleiben auf meine kleinen Geschwister aufpassen.“

Dana Mufti, Obfrau von NAI

Lebenselexier Musik

„Ich bin selbst ein Kriegs- und Flüchtlingskind: Wir wohnten 1942-1945 in Scheidtnitz bei Breslau im heutigen Polen, der erste Versuch, in den Westen zu fliehen, endete wider Willen im damals so genannten Böhmisch Leipa im heutigen Tschechien. Ich habe als Kind die Fliegerangriffe auf diese Stadt erlebt, habe sie brennen sehen. Damals war ich noch nicht ganz sechs Jahre alt, meine drei Geschwister waren noch viel jünger, mein Bruder war noch ein Säugling und konnte während der dreiwöchigen Flucht nicht gewickelt werden. Unser Vater starb als Soldat in Jugoslawien an dem Tag, an dem unsere Flucht aus der Tschechoslowakei begann – das erfuhren wir erst fünf Jahre später. Ich weiß also, was Krieg für Kinder bedeutet, und ich hatte das große Glück zu erleben, wie segensreich die Musik in dieser Situation wirken kann. Seit meinem 9. Lebensjahr ist Musik machen und hören zu dürfen mein Lebenselexier.

Syrien ist für mich fast ein Nachbarland. Das Mittelmeer, das „mare nostrum“ der Römer, gehört zu Europa und wir zu ihm. Der arabischen Kultur verdanken wir zahlreiche Impulse, Damaskus ist die Stadt des Paulus, es gibt so viele geschichtliche Verbindungen – wie kann uns da das Schicksal dieses Landes gleichgültig sein, und insbesondere das Schicksal der Kinder, die für die Taten der Erwachsenen nichts, aber auch gar nichts können?“

Vizeobmann Dr. Reiner Steinweg, Friedensforscher (Friedensinitiative der Stadt Linz)

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Nai – Verein zur Unterstützung syrischer Kinder, www.nai-syria.org, Spendenkonto: IBAN: AT40 5400 0000 0040 2008, BIC: OBLAAT2L

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